Samstag, 18. August 2012

Teuflische Sparpolitik Europas verschärft die Krise

Europäische Haupthandelspartner vor wachsenden Problemen.

Die Krise im Euroraum, die strikte Sparpolitik und der daraus folgende wirtschaftliche Einbruch in zahlreichen EU-Ländern lassen 2012 und 2013 nur ein Miniwachstum zu. Zeitgleich versuchen nämlich alle Euroländer, sich aus der Krise herauszusparen - obwohl das Wachstum und Beschäftigung kostet. Im schlimmsten Fall droht ihnen ein verlorenes Jahrzehnt, warnen Ökonomen.

IMK Report 71. Drei Institute aus Düsseldorf, Paris und Wien legten auf einer Pressekonferenz in Berlin ihre Konjunkturprognose und Analyse der Wirtschaftspolitik vor. Sie wird als IMK Report 71 veröffentlicht. Gegenüber der IMK-Prognose vom Dezember 2011 setzen die Forscher des "Makro-Konsortiums" die Erwartung für die deutsche BIP-Entwicklung 2012 geringfügig um 0,4 Prozentpunkte herauf. Für 2013 hatte das IMK noch keine Prognose abgegeben.

"Alle Hoffnungen, dass sich Deutschland durch seine Exporte nach Übersee von der Entwicklung im Euroraum abkoppeln könnte, sind Illusionen", sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der Wissenschaftliche Direktor des IMK. "Europa ist und bleibt unser zentraler wirtschaftlicher Bezugsraum. Und die übertrieben harte Sparpolitik bei vielen unserer Handelspartner, die durch den Fiskalpakt auf fast die gesamte EU übertragen wird, trifft uns schwer." Natürlich müssten die Euro-Krisen-Staaten ihre Haushalte konsolidieren, betont Horn. "Aber synchrone, EU-weite Austeritätspolitik, die das Wachstum erstickt, wird den Konsolidierungserfolg sogar in Frage stellen. Um einen Ausweg aus der Krise zu finden, muss auch eine expansive Nachfragepolitik wieder Teil der wirtschaftspolitischen Agenda in Europa werden. Alles andere dürfte auch die Finanzmärkte eher verunsichern als beruhigen."

Die Folgen der harten Sparpolitik berechnen die Institute des Makro-Konsortiums in ihrer mittelfristigen Projektion. Im Vierjahreszeitraum zwischen 2010 und 2013 werden die Staaten des Euroraums negative fiskalische Impulse setzen, die im Durchschnitt 6,7 Prozent des BIPs ausmachen. In den Krisenstaaten Irland, Spanien, Portugal und Griechenland sind diese Impulse mit 12 bis gut 24 Prozent enorm. Sie verursachen über den gesamten Zeitraum kumulierte Wachstumsverluste, die von knapp zehn Prozent des BIPs in Irland bis zu minus 25,3 Prozent in Griechenland reichen - "de facto ein Kollaps der griechischen Wirtschaft", schreiben die Forscher.

Austerity-Politik. Auch Italien, Frankreich und selbst die Niederlande bremsen die Wirtschaftsentwicklung mit Negativ-Impulsen zwischen knapp neun und gut fünf Prozent kräftig. Die prognostizierten Wachstumsverluste reichen für den Vierjahreszeitraum von insgesamt 4,6 Prozent in den Niederlanden über acht Prozent in Frankreich bis zu 9,6 Prozent in Italien. In Deutschland sind die negativen fiskalischen Impulse mit insgesamt 1,5 Prozent vergleichsweise gering. Durch die enge wirtschaftliche Verflechtung verringert sich das Wachstum zwischen 2010 und 2013 aber um immerhin 2,7 Prozent des BIP. Vor allem in den Krisenstaaten dürften die Wachstumsverluste dazu führen, dass die Sparanstrengungen durch niedrigere Staatseinnahmen und höhere Ausgaben, etwa für die deutlich steigende Arbeitslosigkeit, beträchtlich konterkariert werden. Insgesamt werde eine "synchrone Sparpolitik entsprechend dem EU-Fiskalpakt die Kluft innerhalb des Euroraums zwischen den Mitgliedsländern in Südeuropa und Deutschland sowie den übrigen Ländern in Mittel- und Nordeuropa vertiefen. Die Hauptursache der Eurokrise wird so nicht überwunden, sondern verschärft", warnen die Institute.

Niedrigzinsstrategie. Als Alternative simulieren die Forscher die Wirkungen einer Niedrigzinsstrategie. Das Szenario basiert darauf, dass die Finanzierung von Krediten der Euro-Staaten auf Eurobonds mit einem Zinssatz von zwei Prozent umgestellt werden kann, was einen Verzicht auf die harten Auflagen des Fiskalpakts möglich macht. In der Modellberechnung schneidet das alternative Szenario mit Niedrigzinsen sowohl beim gesamtwirtschaftlichen Wachstum als auch bei der Arbeitslosigkeit merklich besser ab als das vom Fiskalpakt vorgegebene Sparszenario. Das gilt sowohl für Deutschland als auch für den gesamten Euroraum. Der Finanzierungssaldo der Staaten verbessert sich zwar im Fiskalpakt-Szenario stärker als im Szenario mit Eurobonds. Die Entwicklung der Staatsschuldenquote ist im Niedrigzins-Szenario hingegen günstiger, weil sich das höhere Wachstum positiv auswirkt.


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