Donnerstag, 18. Juli 2013

Bertelsmann Vergleichs-Studie Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Akzeptanz von Vielfalt ist in Österreich ein Problem

Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist definiert als die Qualität des gemeinschaftlichen Miteinanders. Gesellschaften mit starkem Zusammenhalt zeichnen sich durch belastbare soziale Beziehungen, eine positive emotionale Verbundenheit ihrer Mitglieder mit dem Gemeinwesen und eine ausgeprägte Gemeinwohlorientierung aus.

In Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland ist der gesellschaftliche Zusammenhalt am stärksten. Sichtbar ein Ergebnis langer sozialdemokratischer Traditionen und deren Politik der sozialen Sicherheit und liberaler Gesellschaftspolitik. Damit zeigt sich dass der wirtschaftspolitische Neoliberalismus, die soziale Kälte konservativer Wirtschafts- und Sozialpolitik  die Gesellschaften auseinandertreibt.

Deutschland liegt nur im Mittelfeld der 34 untersuchten Länder. Schwach ist der gesellschaftliche Zusammenhalt besonders in den baltischen Staaten Litauen und Lettland sowie in den südosteuropäischen Ländern Bulgarien, Griechenland und Rumänien, die ganz unten im Ländervergleich stehen. Das zeigt das Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt, eine von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegebene empirische Untersuchung in 34 westlichen Staaten. Untersucht wurden auch Rahmenbedingungen für starken Zusammenhalt. Demzufolge begünstigen Wohlstand, Einkommensgleichheit und die Entwicklung hin zur modernen Wissensgesellschaft ein gutes gesellschaftliches Miteinander. Entgegen landläufiger Meinungen wirkt sich Zuwanderung nicht negativ auf den Zusammenhalt aus.

Nach den nordeuropäischen Ländern gibt es ebenfalls einen hohen Zusammenhalt in den angelsächsisch geprägten Ländern Kanada und den Vereinigten Staaten sowie Australien und Neuseeland. Auch in den kleineren und wohlhabenden westeuropäischen Ländern Schweiz, Österreich oder Luxemburg ist der Zusammenhalt stark. Ein relativer Schwachpunkt, insbesondere in der Schweiz und Österreich, ist die Akzeptanz von Diversität, die dort unterdurchschnittlich ist. Für Österreich und die Schweiz ist dies auch die Dimension, in der sie sich über die Zeit verschlechtert haben. Populistische Parteien in Österreich und das berühmte Anti-Minarett-Referendum in der Schweiz passen zu dieser Diagnose.

Österreich. Eine besondere Stärke Österreichs besteht darin, dass soziale Regeln anerkannt werden. Hier liegt Österreich aktuell in der Spitzengruppe. Damit zeigt sich dass die von Gewerkschaften und Sozialdemokratie betriebene und dafür oft als "wirtschaftsfeindlich" gescholtene Politik der sozialen Sicherheit Österreich nach vorne katapultiert.

Lob der Zivilgesellschaft..Lange Zeit war Österreich auch in der Spitzengruppe was die Solidarität und Hilfsbereitschaft seiner Bürger anging. Jedoch ist das Land in dieser Dimension im letzten Erhebungszeitraum (2009 – 2012) ins obere Mittelfeld zurückgefallen. Langfristig haben sich die soziale Vernetzung der Bürger und deren Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben positiv entwickelt. Hier rangierte Österreich im ersten Erhebungszeitraum (1989 – 1995) im unteren Mittelfeld, gehört heute aber zum oberen Mittelfeld.

Minderheitenfeindlich. Besorgniserregend ist die schwache Platzierung beim Umgang mit Diversität. Während Österreich von 1989 – 2003 im Mittelfeld bzw. im oberen Mittelfeld platziert war, rutschte das Land in dieser Dimension im dritten Erhebungszeitraum (2004 – 2008) in die Schlussgruppe ab. Bei der Akzeptanz von Diversität geht es darum, wie sehr Minderheiten und deren Lebensstil toleriert werden, z.B. von Einwanderern oder Homosexuellen. Dies allein auf die populistischen Rechtsparteien zurückzuführen, wäre zu einfach. Auch in den beiden Regierungsparteien sind gegenüber Migranten wenig positive Aspekte sichtbar. Hinsichtlich der Genderfrage und sexueller Diversität ist die konservative Regierungspartei einer der Hauptgründe für das schlechte Erscheinungsbild Österreichs. Im aktuellen Erhebungszeitraum bis 2012 liegt Österreich wieder zwar wieder eine Gruppe höher, aber immer noch im unteren Mittelfeld.

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