Österreichs Defizite |
Österreich. Fast 20 Prozent der 15-Jährigen haben Defizite beim Lesen und Schreiben, und in fünf Ländern erzielen mehr als 25 Prozent der 15-Jährigen schlechte Leseleistungen (Bulgarien 41 Prozent, Rumänien 40 Prozent, Malta 36 Prozent, Österreich 27,5 Prozent und Luxemburg 26 Prozent). Österreich hat auch in den MST-Professionen (Math, Science and Technology) nach den Niederlanden den geringsten Anteil an weiblichen Graduierten. Beim Lesen, Rechnen und in den Naturwissenschaften sind Österreichs 15-Jährige weit unter dem EU-Schnitt, die niedrige Qualifikation im Lesen wird nur noch von Rumänien und Bulgarien "übertroffen".
Auch ist die Schulabbrecherquote in mehreren Mitgliedstaaten nach wie vor unannehmbar hoch; so beträgt sie etwa in Spanien 26,5 Prozent und in Portugal 23,2 Prozent, während die EU-Zielvorgabe bei unter 10 Prozent liegt. Weniger als 9 Prozent der Erwachsenen beteiligen sich am lebenslangen Lernen (EU-Ziel: 15 Prozent).
Bildung versus Sparprogramme. Die EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend Androulla Vassiliou spricht wohl aus, was man gerade in Krisenzeiten uns Sparprogrammen nicht deutlich genug sagen kann: : „In Europa wird erst dann wieder ein nachhaltiges Wachstum einsetzen, wenn unsere Bildungssysteme hoch qualifizierte, vielseitig einsetzbare Arbeitskräfte hervorbringen, die zur Innovation beitragen können und über Unternehmergeist verfügen. Effiziente, zielgerichtete Investitionen sind hier von wesentlicher Bedeutung, während wir bei einer Kürzung der Mittel für die Bildung unsere Ziele nicht erreichen werden.“
Neue Denkansätze für die Bildung. Die Europäische Kommission hat eine neue Strategie mit dem Titel „Neue Denkansätze für die Bildung“ vorgestellt. Sie will von den Mitgliedsstaaten unverzüglich Maßnahmen, damit jungen Menschen die auf dem Arbeitsmarkt gefragten Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen vermittelt und die Wachstums- und Beschäftigungsziele erreicht werden. Doch wie können die Bildungs- und Berufsbildungssysteme die Qualifikationen vermitteln, die der Arbeitsmarkt benötigt?
Die Kommission will, dass in der Bildung der Schwerpunkt auf die „Lernergebnisse“ zu verlagert wird, d. h. auf die von den Lernenden erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen. Einfach nur eine bestimmte Zeit an einer Bildungseinrichtung verbracht zu haben, darf nicht mehr ausreichen. Zugleich besteht nach wie vor erheblicher Nachholbedarf bei den Grundfertigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen, und der Entwicklung von Unternehmer- und Initiativgeist muss in der Bildung größere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Die Empfehlungen der Kommission stützen sich auf die Ergebnisse des Anzeigers für die allgemeine und berufliche Bildung (Education and Training Monitor) 2012, eine neue jährliche Erhebung der Kommission zum Qualifikationsangebot in den Mitgliedstaaten.
Open Educational Resources. Damit die Bildung den Bedürfnissen der Lernenden und des Arbeitsmarkts besser gerecht wird, müssen auch die Bewertungsmethoden angepasst und modernisiert werden. Zugleich sollten in allen Lernumfeldern verstärkt Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sowie frei zugängliche Lehr- und Lernmaterialien (Open Educational Resources; OER) zum Einsatz kommen.
Lehrerbildung. Die Lehrkräfte müssen ihre eigenen Kenntnisse und Fertigkeiten durch regelmäßige Fortbildungen auf den neuesten Stand bringen.
Berufspraktisches Lernen. Die Mitgliedstaaten werden in der Strategie dazu aufgerufen, Bildung und Arbeitswelt enger miteinander zu verknüpfen, unternehmerisches Handeln in den Unterricht zu integrieren und den jungen Menschen durch berufspraktisches Lernen einen Vorgeschmack auf das Arbeitsleben zu geben. Darüber hinaus wird unter anderem vorgeschlagen, eine neue Benchmark zum Erlernen von Fremdsprachen einzuführen, Leitlinien zur Bewertung und Weiterentwicklung unternehmerischer Bildung aufzustellen und eine EU-weite Wirkungsanalyse zur Nutzung von IKT und OER für Lernzwecke durchzuführen, um den Weg für eine neue Initiative zur Öffnung der Bildung im Jahr 2013 zu ebnen, die auf die optimale Ausschöpfung des Potenzials von IKT abzielt.
Die "neuen" Denkansätze der Kommission in Kürze:
- Auf allen Bildungsstufen muss der Entwicklung von Querschnittskompetenzen und Grundfertigkeiten größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dies gilt insbesondere für unternehmerische und digitale Kompetenz.
- Neue Benchmark zum Erlernen von Fremdsprachen: bis 2020 sollten mindestens 50 Prozent der 15-Jährigen über hinreichende Kenntnisse in einer Fremdsprache verfügen (derzeit sind es 42 Prozent), und mindestens 75 Prozent sollten eine zweite Fremdsprache erlernen (derzeit 61 Prozent).
- Es muss in den Aufbau von Bildungs- und Berufsbildungssystemen von Weltrang investiert werden, und das berufspraktische Lernen muss verstärkt werden.
- Die Mitgliedstaaten müssen die Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationen verbessern – einschließlich solcher Qualifikationen, die außerhalb der formalen Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung erworben wurden.
- Der Nutzen der Technologie, insbesondere des Internets, muss voll ausgeschöpft werden. Schulen, Hochschulen und Berufsbildungseinrichtungen müssen den Zugang zur Bildung durch die verstärkte Nutzung von OER verbessern.
- Die Reformen müssen von gut ausgebildeten, motivierten, unternehmerisch denkenden Lehrkräften getragen werden.
- Mittel müssen verstärkt dort eingesetzt werden, wo sich Investitionen am besten rentieren. In den Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene muss eine Debatte über die Finanzierung der Bildung – insbesondere der Hochschul- und Berufsbildung – geführt werden.
- Ein partnerschaftlicher Ansatz ist unerlässlich. Sowohl öffentliche als auch private Investitionen sind notwendig, damit Innovationen angeschoben werden und damit akademische Welt und Wirtschaft fruchtbarer zusammenwirken.
- Im Rahmen von Erasmus für alle, dem von der Kommission vorgeschlagenen Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport mit einem Budget von 19 Mrd. EUR, soll die Zahl der Personen, die zur Verbesserung ihrer Qualifikationen Stipendien für Studien- und Ausbildungsaufenthalte sowie Freiwilligentätigkeiten im Ausland erhalten, verdoppelt werden: auf 5 Millionen im Zeitraum 2014-2020. Mehr als zwei Drittel des Programmbudgets sind für diese Art der individuellen Lernmobilität vorgesehen, während die übrigen Mittel für Kooperationsprojekte in den Bereichen Innovation, Politikreformen und Verbreitung bewährter Verfahren bestimmt sind.
Rethinking Education strategy
European Commission/EACEA/Eurydice, 2012. Developing Key Competences at School in Europe: Challenges and Opportunities for Policy – 2011/12. Eurydice Report. Luxembourg: Publications Office of the European Union.
30. 11.12 [Letzte Aktualisierung 30.11.12] Das Vorarlberger Bloghaus verlinkt interessante Weblogs.