Montag, 25. Juni 2012

Migration und die Wirtschaftskrise: politische Implikationen in der Europäischen Union

Die beispiellose globale Finanzmarktkrise, die die Weltwirtschaft Mitte 2008 verkraften musste, hat zu der stärksten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg geführt. 

Nach einem jahrelangen relativ großen Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum hat die Weltwirtschaftskrise bewirkt, dass die Wachstumsraten innerhalb der Europäischen Union (EU) einen Tiefstand erreicht haben wie seit Jahrzehnten nicht Auch die Arbeitsmärkte der EU-Mitgliedstaaten wurden negativ beeinflusst.

Diese Studie wurde innerhalb des von der Europäischen Union geförderten IOM Independent Network of Labour Migration and Integration Experts (LMIE-INET, Unabhängiges Netzwerk von Experten für Arbeitsmigration und Integration) durchgeführt. Die Generaldirektion Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit der Europäischen Kommission beauftragte die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit der Durchführung einer Studie über die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf Migranten sowie über die Migrationspolitik der EU. Die Studie Migration und die Wirtschaftskrise: politische Implikationen in der Europäischen Union basiert hauptsächlich auf einer Bestandsaufnahme, die von den Büros der IOM in den 27 EU-Mitgliedstaaten sowie Kroatien, Norwegen und der Türkei realisiert wurde und auf sieben in Auftrag gegebenen Länderfallstudien (Tschechische Republik, Deutschland, Irland, Italien, Polen, Spanien und das Vereinigte Königreich). Dieser Bericht liefert einen Überblick über einige der wichtigsten Ergebnisse der Studie.



Folgende Empfehlungen wurden formuliert: 

1) Durch die Wirtschaftskrise wurden eine Reihe langjähriger Überlegungen in den Bereichen Demographie und Arbeit nicht beeinflusst, wie z. B. die Überalterung und das Schrumpfen der Bevölkerung und der sich daraus ergebende Rückgang der Erwerbsbevölkerung in Industrieländern. Laut Vorhersagen der Weltbank wird die berufstätige Bevölkerung in den Industrieländern im Jahr 2025 auf knapp unter 475 Millionen Arbeitnehmer absinken im Vergleich zu über 495 Millionen 2008. In Entwicklungsländern hingegen gibt es weiterhin einen Zuwachs.

2) Die von den Regierungen entwickelten politischen Maßnahmen müssen sowohl kurzfristige als auch langfristige Konjunkturaussichten berücksichtigen. Eine Verschärfung von Einwanderungskontrollen wie sie in verschiedenen Zielländern der Europäischen Union praktiziert wird, können kurzfristig attraktiv erscheinen, vergrößern jedoch langfristig eventuell das Risiko der irregulären Migration: Es stehen weniger Arbeitskräfte für die Bereiche mit Bedarf zur Verfügung und die Schutzbedürftigkeit der Migranten steigt, da eine gößere Gefahr der Ausnutzung besteht.

3) Auch in Krisenzeiten gibt es keine Einstellungsstopps; es besteht weiterhin ein Fachkräftemangel, sowohl für gering qualifizierte auch für hochqualifizierte Arbeitskräfte. Zulassungs- und Quotenbeschränkungen sowie Kontrollmaßnahmen sollten im Gleichgewicht stehen mit flexiblen legalen Migrationswegen, um für Tätigkeiten und in Sektoren mit Bedarf Einstellungen vorzunehmen. Deshalb ist es entscheidend, dass Arbeitgeber und nationale Regierungen zusammenarbeiten, um eine einheitliche Politik zu garantieren hinsichtlich der Zulassung und Mobilität von Arbeitsmigranten. Desweiteren würde eine politische Koordination auf EU-Ebene sowie eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern erfolgreich dazu beitragen, Überlegungen im Bereich der Migration europaweit in die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik zu integrieren, wie im Rahmen der Strategie Europa 2020 und dem Stockholmer Programm vorgeschlagen.

4) Das Qualifikationsniveau der Einheimischen und der Migranten sowie der Arbeitsmarktsektor in welchem sie angestellt sind, ist je nach EU-Mitgliedstaat verschieden. Monitoring und Bewertung der aktuellen Krise durch die nationalen Regierungen: Die EU und die Arbeitgeber sollten nicht nur die Auswirkungen der Krise auf Kurzzeitbeschäftigung und -arbeitslosigkeit erwägen, sondern auch langfristig einen Beschäftigungszuwachs und den Bedarf an entsprechenden Qualifikationen berücksichtigen.

5) Das Stockholmer Programm und die Strategie Europa 2020 unterstreichen, dass Arbeitsmobilität Teil und Folge der Globalisierung und der Weltwirtschaft ist. Deshalb sollte die Mobilität von Arbeitsmigranten für die Wiederbelebung der Wirtschaft mit einbezogen werden, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene, einschließlich aller Finanzsystemreformen oder zukünftiger Konjunkturpakete. Eine Politik, die Migranten aus entscheidenden Wiederherstellungsmechanismen ausschließt, manövriert sich auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft lediglich ins Aus. Darüber hinaus könnte das Humankapital der aktuellen und potentiellen Migranten eine entscheidende Rolle auf dem Weg zum wirtschaftlichen Aufschwung spielen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stärken: Arbeitskräftemängel könnten gestillt und notwendige Qualifikationen eingeholt werden.

6) Es ist wesentlich, dass Integrationspolitik und -programme für Migrantinnen und Migranten während einer Wirtschaftskrise nicht nur politisch als wichtig anerkannt und auf lokaler und nationaler Ebene gefördert werden, sondern dass diese auch beständig weiterentwickelt und angemessen von den Regierungen und der Europäischen Union finanziell unterstützt werden. Auf diese Weise wird der wachsenden Exklusion entgegengewirkt und die Migranten bekommen die Möglichkeit, am Aufschwung mitzuwirken.

7) Desweiteren sollten Migranten in gleichem Maße wie die Staatsangehörigen des Ziellandes Zugang zu Aktivierungsmaßnahmen für den Arbeitsmarkt bekommen und zur Teilnahme ermutigt werden. In Ländern, wo eine solche Teilnahme möglich ist, stehen häufig keine Daten zur Verfügung, die etwas über die Teilnahme der Migranten an diesen Initiativen aussagen. Daher ist es schwierig, genauere Angaben über den Wirkungsgrad dieser Maßnahmen zu machen, um weitere Hindernisse für die Migranten aus der Welt zu schaffen. Unter diesem Blickwinkel sollten die Mitgliedstaaten der EU ihre politischen Evaluierungsmethoden weiter ausbauen, um die Teilnahme von besonders schutzbedürftigen Gruppen an unterschiedlichen Arbeitsmarktprogrammen analysieren zu können.

8) Politische Maßnahmen, die es arbeitslosen Migranten möglich machen, sich legal im Zielland aufzuhalten, um eine alternative Beschäftigung zu suchen, wie es in mehreren EU-Mitgliedstaaten schon der Fall ist, können dazu beitragen, Probleme im Zusammenhang mit der Überschreitung der Aufenthaltsdauer und Irregularität zu vermeiden, da die Migranten die Möglichkeit bekommen, auf legale Weise einen festen Arbeitsplatz zu suchen.

9) Der Zugang zu sozialen Sicherheitsnetzen muss sichergestellt werden, da der Schutzbedürftigkeitsgrad von Migranten auch durch die Öffnung (oder die Blockade) von Sozialschutz und -leistungen beeinflusst werden kann. Dies gilt insbesondere für neue Migranten sowie für bestimmte Migrantengruppen, die möglicherweise kein Recht auf Sozialschutz und/oder -leistungen haben. Aus vergangenen Krisen hat sich gezeigt, dass ein Konjunkturrückgang eine Chance sein kann, um soziale Sicherheitsnetze weiter zu spinnen und so größere Teile der Bevölkerung zu umschließen.

10) Da nicht alle Migranten während einer Krise in ihr Heimatland zurückkehren können undwerden, sollten politische Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskrimination und Fremdenfeindlichkeit getroffen werden und es sollte eine Sensibilisierung darüber stattfinden, wie Migranten ihre Zielländer bereichern, sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf sozialer Ebene. In Krisenzeiten sollten sich vor allem die Interessengruppen für die Bewusstmachung der Bereicherung durch Migranten einsetzen – dann, wenn möglicherweise eine allgemeine Abwehrhaltung gegenüber Arbeitsmigranten vorherrscht. Die Bekämpfung von Diskrimination auf dem Arbeitsmarkt ist grundlegend für eine gelungene Integration heutiger und zukünftiger Migranten in die Erwerbsbevölkerung und zur Vermeidung eines Ungleichgewichts zwischen den Qualifikationen und der Beschäftigung.

11) Rückkehr- und Wiedereingliederungspolitiken sind Teil eines umfassenden Migrationsmanagements. Alle geltenden Rückkehrmaßnahmen müssen transparent und human sein. Programme zur freiwilligen Rückkehr, wie sie in Spanien und der Tschechischen Republik bestehen, sind immer Zwangsrückführungen vorzuziehen.

12) Schließlich können Migranten in ihren Herkunftsländern als Botschafter für Entwicklung agieren. Die in den letzten Jahren gemachten Fortschritte für eine größere Anerkennung des positiven Einflusses von Migration auf die Entwicklung (z. B. der globale Migrationsansatz der Europäischen Kommission) sollten während einer Krise nicht verloren gehen. Da Geldtransfers von Migranten eine der Möglichkeiten für Migranten ist, einen Entwicklungsbeitrag für ihr Herkunftsland zu leisten, sollen Anstrengungen unternommen werden, um die Kosten für Geldtransfers niedrig zu halten.

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Executive Summary 1
Introduction 59
I) CZECH REPUBLIC (Martin Rozumek, Blanka Tollarová, Eva Valentová)
Introduction  61
Migration data 62
Composition of migrants and changes in the labour market 65
Remittance flow and use  70
Return migration 70
Social protection and access to benefits 71
Integration, anti-xenophobia, and anti-discrimination measures 72
Policy responses 74
Public opinion 77
Conclusion  77
References 78
II) GERMANY (Anna Myunghee Kim)
Introduction  81
Migration data  85
Remittance flow and use 92
Composition of migrants and changes in the labour market 92
Social protection and access to benefits  95
Integration, anti-xenophobia, and anti-discrimination measures 97
Policy responses 98
Conclusion  99
References 101
III) IRELAND (Torben Krings)
Introduction  103
Migration data  10356
Composition of migrants and changes in the labour market 109
Social protection and access to benefits  111
Remittance flow and use 113
Policy responses 114
Integration, anti-xenophobia, and anti-discrimination measures 116
Public opinion 117
Conclusion  117
References 118
IV) ITALY (Ferruccio Pastore)
Introduction  121
Migration data  121
Composition of migrants and changes in the labour market 123
Remittance flow and use 127
Return migration 128
Public opinion 129
Policy responses 131
Conclusion  134
References 135
V) POLAND (Izabela Grabowska-Lusinska)
Introduction  139
Migration data  139
Composition of migrants and changes in the labour market 147
Return migration 150
Remittance flows and use 155
Public opinion 156
Conclusion  157
References 158
VI) SPAIN (Ruth Ferrero-Turrión, Ana Mª López-Sala)
Introduction  161
Migration data  162
Composition of migrants and changes in the labour market 165
Remittance flow and use 170
Return migration 170
Social protection and access to benefits  173
Integration, anti-xenophobia, and anti-discrimination measures 173
Policy responses 174
Public opinion 177
Conclusion  178
References 180
VII) UNITED KINGDOM (Institute for public policy research)
Introduction  183
Migration data  183
Composition of migrants and changes in the labour market 186
Remittance flow and use 191
Return migration 192
Social protection and access to benefits  193
Integration, anti-xenophobia, and anti-discrimination measures 196
Policy responses 197
Public opinion 200
Conclusion  201
References 201