Donnerstag, 13. Juni 2019

[ #Migration ] Fakes über Migration und Flucht aus Afrika?


Mobilität nicht Exodus ist das Kennzeichen Afrikas.

Ewig mobil. Schon vor sechs Mio. Jahren verließen die Vormenschen den tropischen Regenwald in Afrika und gingen in die Savannen. Sie nutzten einen neuen Lebensraum und entwickelten den aufrechten Gang. Allerdings war das ein langsamer Prozess. Erst vor zwei Mio. Jahren verließen sie Afrika.

Aus Afrika heraus gab es vier mögliche Routen. Die erste führte über Gibraltar mit floßartigen Gefährten über die Meerenge auf die Iberische Halbinsel. Die zweite ging über Inseln nach Süditalien, dort finden sich 1,4 Mio. Jahre alte Werkzeuge. Die dritte Route führte über das heutige Israel und die Levante und die vierte über die arabische Halbinsel in den Kaukasus und Richtung Südostasien.

In der Neuzeit trug die Sklaverei, seit dem 17. Jahrhundert auch nach Übersee, zu größeren Bevölkerungsbewegungen bei; genauso wie die Zwangsumsiedlungen durch die europäischen Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich, Belgien, Italien und Deutschland.

Heutige "Fakes". Die öffentliche Diskussion ist heute von zwei Fehlannahmen geprägt. Die erste davon besagt, dass ein hohes Bevölkerungswachstum in Afrika quasi automatisch höhere internationale Migration in den angrenzenden europäischen Kontinent auslösen würde. Es ist gar von einem „Ansturm auf Europa" die Rede. Die zweite häufig anzutreffende Fehlannahme geht davon aus, dass Migration und Flucht in und aus Afrika vorwiegend ein Resultat von Armut, gewaltsamen Konflikten und Umweltzerstörung sei. Beides sind Fehlannahmen, die sich mit den vorliegenden Fakten nicht vereinbaren lassen.

Im Hinblick auf die erste Behauptung wird in Bevölkerungsprognosen in der Regel davon ausgegangen, dass die Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent von derzeit ca. 1,2 Milliarden Menschen bis 2050 auf 2,5 Milliarden wachsen wird. Sie wird dann ihren Anteil an der Weltbevölkerung verdoppeln und ca. 20 % betragen.

Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) rechnet damit, dass bis zum Jahr 2030 etwa 295 Millionen junge Menschen auf die Arbeitsmärkte der afrikanischen Länder drängen. Das entspräche einem Wachstum der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter um 40 Prozent. Derzeit, so die AfDB, entstünden in Afrika aber nur 12 Millionen neue Jobs pro Jahr. Somit könnten schon 2030 bis zu 100 Millionen junge Menschen arbeitslos sein. Nichtsdestotrotz ist ein daraus direkt abgeleiteter und bevorstehender Massenansturm auf Europa eine Hiobsbotschaft, die von der seriösen Bevölkerungswissenschaft nicht geteilt wird. Jetzt schon bleiben die Migrationsanteile hinter dem Bevölkerungsanteil zurück: Während Afrika 16 % der Weltbevölkerung aufweist, bringt der Kontinent nur 14 % der Migranten hervor.

In der Tat hat sich die absolute Zahl an internationalen Migranten von etwa 16,3 Mio. im Jahre 2000 auf ca. 23,9 Mio. im Jahr 2015 erhöht. Allerdings blieb der Anteil an der Gesamtbevölkerung stabil. Mit etwa 2,5 % in den Jahren 2000 bis 2015 liegt sie noch niedriger als im Jahre 1990 mit 3,2 % – und geringer als der Anteil von allen Migranten an der Weltbevölkerung, die 2015 bei ca. 3,3 % lag. Noch viel wichtiger ist die Beobachtung, dass aus einem hohen Migrationspotential nicht schon automatisch ein hohes tatsächliches Migrationsaufkommen resultiert. Ganz unter der Hand wird dabei sehr allgemein von Afrika gesprochen. Problematisch daran ist nicht nur, dass die Vielfalt dieses Kontinents dabei in Vergessenheit gerät. Aus dem Blick gerät schnell, dass die vorliegenden Daten auf eine viel spannendere Erzählung verweisen: Migration vollzieht sich vorwiegend intra-afrikanisch, Mobilität in und aus Afrika ist dabei Teil weltweiter Migrationsbewegungen. Mehr als die Hälfte aller afrikanischen Migranten lebt in Afrika und fast 90 % der Migranten stammen aus den afrikanischen Nachbarländern.

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Inhalt
Abbildungsverzeichnis 4
Abkürzungen  5
1. Einführung – Ein Kontinent in Bewegung  6
2. Migration: Treiber und Dynamik 12
3. Flucht in Afrika 23
4. Binnenmigration und Binnenvertriebene in Afrika 32
5. Post-Migration – Integration in Afrika 38
6. Migrations- und Flüchtlingspolitik in Afrika 56
7. Europäische Interventionen – Zur Externalisierung von Migrationskontrolle 63
8. Was tun? Zur Förderung von Mobilität 78
9. Literaturverzeichnis 86