Der Vertrag von Amsterdam (1997) hat sowohl eine europäische Grenzschutzpolitik als auch eine gemeinsame Asyl- und Migrationspolitik formuliert. Doch während erstere schon umgesetzt wurde, insbesondere mit der Schaffung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, ist letztere immer noch im Stadium einer Absichtsbekundung.
Im Jahr 2010 waren weltweit rund 44 Millionen Menschen auf der Flucht. Nach Einschätzungen des UNHCR fanden vier von fünf Flüchtlingen Zuflucht in einem Entwicklungsland, wo die Flüchtlinge unter oft widrigsten Verhältnissen überleben müssen. Die Bereitschaft der Industrieländer, Flüchtlinge auf ihren Territorien aufzunehmen und in ihre Gesellschaften zu integrieren, ist dagegen nach wie vor enttäuschend gering.
Auch die Europäische Union hat im letzten Jahrzehnt die Abschottung ihrer Grenzen immer weiter vorangetrieben, und ist weiterhin wenig geneigt, ihre Aufnahmekapazitäten zu erweitern und damit die Bemühungen internationaler Organisationen, Flüchtlingen aus Konfliktregionen einen sicheren Bleibeort zuzuweisen, zu unterstützen. So werden derzeit lediglich 6% (in Zahlen 4.700) der Aufnahmeplätze weltweit für die Umsiedlung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in sichere Länder von den 27 EU-Ländern bereitgestellt. Auf diesem beschämend niedrigen Bereitschaftsniveau sind Anerkennungsverfahren und –quoten sowie die Lebensbedingungen von Asylsuchenden in den einzelnen EU-Ländern immer noch höchst uneinheitlich. Und obwohl sich die Europäische Union seit 1997 mit dem Vertrag von Amsterdam eine Harmonisierung der Flüchtlingsschutz- und Asylpolitik mit hohen menschenrechtlichen Standards zum Ziel gesetzt hat, scheint die Praxis eher weiter auseinander zu driften.
Allein in der Grenzsicherungs- und Flüchtlingsabwehrpolitik erreichten die EU-Staaten mit der Politik der Externalisierung der Grenze, also ihrer Vorverlagerung unter Einbeziehung von nordafrikanischen Diktaturen in die Migrations- und Flüchtlingsabwehr den höchsten Harmonisierungsstand. Die Folgen dieser Politik des letzten Jahrzehnts haben sich im öffentlichen Bewusstsein durch die Bilder aus Tunesien, Libyen, Marokko oder Lampedusa eingebrannt, Bilder von hoffnungslos gestrandeten, eingezäunten Flüchtlingen und TransitmigrantInnen, von überfüllten Fluchtbooten und ausgespülten Menschenleichen.
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DOSSIER: Grenz- statt Menschenschutz? - Asyl- und Flüchtlingspolitik in Europa - Heinrich-Böll-Stiftung - Juli 2011, PDF
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Inhalt
Über das Dossier 6
I Flucht & Grenzen 7
STEFAN TELÖKEN
Millionen auf der Flucht 8
CHRISTOPHER HEIN
Zugang zur EU – Zugang zum Rechtsschutz 12
BERND KASPAREK
Europas Grenzen 16
JUDITH KOPP
Europa verliert seine Torwächter 21
II Rechtlicher Schutz & Hürden 27
KLAUDIA DOLK
Die Dublin II-Verordnung – Verantwortungsteilung im europäischen Flüchtlingsschutz? 28
TIMO TOHIDIPUR
Justiz als Wächterin der Menschenrechte: Gerichtshöfe in Europa und ihr Verhältnis
zur politisch-demokratischen Konstitution 33
GEORG CLASSEN
Das Asylbewerberleistungsgesetz und seine Novellen auf dem Prüfstand 39
VOLKER MARIA HÜGEL
Leben in der Warteschleife - Bleiberecht für Flüchtlinge 46
III Flüchtlinge in Deutschland 49
TOBIAS PIEPER
Flüchtlingspolitik als Lagerpolitik 50
UCHE AKPULU
Dahoam ist dahoam! Der Alltag in einem Münchner Flüchtlingslager 53
BENJAMIN RAU
Protest von unten – Kampf gegen diskriminierende Flüchtlingspolitik und die Kampagne Abolish! 58
AGNES ANDRAE / ANNE MAYA
Flüchtlingsfrauen in Deutschland – Unterstützungsprojekte aus Bayern 62