Europäische politische Parteien wurden mit dem Vertrag von Maastricht 1992 eingeführt. In Art.191 EGV werden die Aufgaben der europäischen politischen Parteien wie folgt beschrieben: "Politische Parteien auf europäischer Ebene sind wichtig als Faktor der Integration in der Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen."
Historie. Die Parteien auf europäischer Ebene entstanden aus europaweiten Parteibündnissen und aus den Fraktionen im Europäischen Parlament, wobei sich heute umgekehrt auch wieder die Fraktionen des Europaparlaments vor allem aus den europäischen Parteien bilden.
Das Europäische Parlament ist – ebenso wie ein nationales Parlament – nicht entlang nationaler Gruppen, sondern weltanschaulicher Fraktionen organisiert. Diese setzen sich aus Europaabgeordneten mit ähnlichen politischen Ansichten zusammen und entsprechen im Wesentlichen den europäischen politischen Parteien. Allerdings bilden häufig verschiedene Europaparteien eine gemeinsame Fraktion und in mehreren Fraktionen sind auch parteilose Abgeordnete vertreten. Zur Gründung einer Fraktion sind seit der Europawahl 2009 mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten (also sieben) erforderlich.
Dabei entsprechen sich Parteien und Fraktionen nicht völlig, einige Fraktionen bestehen aus mehreren europäischen politischen Parteien, in vielen Fraktionen finden sich außerdem Abgeordnete nationaler Parteien, die keiner europäischen Partei angehören. Derzeit gehören 674 der 732 Mitglieder des Europaparlaments, also 92%, einer europäischen politischen Partei an.
Open Access. Auf dem Server der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin steht eine Dissertation zum Thema bereit, die sich auf 459 Seiten mit der europäischen Parteiendemokratie auseinandersetzt. Eine Fundgrube zur politischen Organisations- und Ideengeschichte des Abendlandes.
Abstract. Das jedem Herrschaftssystem immanente Legitimationsproblem konnte in allen EU-Mitgliedstaaten durch die Etablierung nationaler Parteiendemokratien weitgehend behoben werden. Mit der europäischen Integration ging jedoch die sukzessive Übertragung unmittelbarer Hoheitsgewalt von den Nationalstaaten auf Gemeinschaftsorgane einher, die nicht demokratisch legitimiert waren.
Infolgedessen wurde die These vom "demokratischen Defizit" der Europäischen Union zum kanonisierten Faktum der Integrationsforschung. Diese verfolgte bei der Suche nach Möglichkeiten zur Minderung des Demokratiedefizits vielfältige Wege, vernachlässigte allerdings einen Aspekt: Obwohl angesichts der nationalstaatlichen Legitimationsvermittlung durch politische Parteien die Entwicklung entsprechender intermediärer Einrichtungen auf der europäische Ebene naheliegt, hat die Politikwissenschaft diesbezüglich keine umfassenden Untersuchungen hervorgebracht.
Um hier einen Beitrag zu leisten, geht die vorliegende Arbeit zunächst der Legitimationsvermittlung der mitgliedstaatlichen Parteiendemokratien nach. Indem das dort erreichte Legitimationsniveau anschließend mit demjenigen der Europäischen Union konfrontiert wird, sollen einerseits Eigenarten der supranationalen Herrschaftsausübung berücksichtigt und zugleich Untersuchungskategorien für die nachfolgende Analyse der Möglichkeiten europäischer Parteien zur Legitimationsvermittlung entwickelt werden.
Zu diesem Zweck sind im Fazit vor allem zwei konkrete Maßnahmen benannt: Die gegenwärtigen Parteienzusammenschlüsse können durch institutionelle Voraussetzungen und die Verpflichtung auf geeignete Funktionsbedingungen zu einer europäischen Parteiendemokratie ausgebaut werden und einen maßgeblichen Beitrag zur Minderung des Demokratiedefizits der EU leisten.[H.eimat✔ P.olitik✔ M.enschen✔] LINK ➨
- Europäische Parteiendemokratie?, pdf., 459 S., 2,2 MB 10.11.2005 - Institutionelle Voraussetzungen und Funktionsbedingungen der europäischen Parteien zur Minderung des Legitimationsdefizits der EU - Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Politikwissenschaft bei dem Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin - vorgelegt von Andreas von Gehlen
- Universitätsbibliothek - Dissertationen online: Europäische Parteiendemokratie? Institutionelle Voraussetzungen und Funktionsbedingungen der europäischen Parteien zur Minderung des Legitimationsdefizits der EU Berlin 2005
- Siehe dazu auch: Going, going, . gone? The decline of party membership in contemporary Europe - 17.5.11
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Inhaltsübersicht V
Vorwort XI
Einleitung 1
1. Einführung in den Forschungsgegenstand 1
2. Forschungsstand und Grundpositionen 3
3. Intentionen der Studie 6
4. Methodisches Vorgehen 8
I. Nationalstaatliche Parteiendemokratie als Schlüssel zum Legitimationsproblem 11
1. Das Legitimationsproblem 11
1.1. Ursprünge und Konstanten der Problematik 12
1.2. Legitimationsgrundlagen der europäischen Staaten 14
1.3. Demokratische Legitimation 16
1.4. Bedingungsfaktoren demokratischer Willensbildung 19
2. Mittelbare Legitimation durch Parteiendemokratie 21
2.1. Gründung politischer Parteien 22
2.2. Anfänge der Parteienforschung 25
2.3. Etablierung des Parteienstaates 27
2.4. Verfassungsmäßige Inkorporation von Parteien 30
2.5. Wahlrechtliche Vorschriften 33
2.6. Parteifunktionen und Organisationsmerkmale 36
3. Die nationalen Parteiensysteme der 15er-EU 39
3.1. Normative Grundlagen 40
3.2. Mitgliedschaftstypen 44
3.3. Innerparteiliche Organisation und Personalrekrutierung 48
3.4. Willensbildung und Programmformulierung 51
3.5. Politikgestaltung durch Regierungsparteien 53
3.6. Kontrolle durch Oppositionsparteien 56
4. Nationalstaatliche Ansätze der Parteiendemokratien zur Lösung des Legitimationsproblems 60
II. Das europäische Legitimationsproblem 67
1. Die Genese des europäischen Legitimationsproblems 67
1.1. Der internationale Charakter der EGKS 69
1.2. Supranationale Elemente der EWG 74
1.3. Unmittelbare Wahlen zum Europäischen Parlament 78
1.4. EEA und Maastricht – Etappen der Demokratisierung 83
1.5. Rückbau des Demokratiedefizits durch Amsterdam, Nizza und das Parteienstatut 88
2. Legitimatorische Anforderungen an die Europäische Union 91
2.1. Legitimationsvermittlung durch das Europäische Parlament 92
2.2. Legitimationsvermittlung durch den Europäischen Rat und die Kommission 95
2.3. Das europäische Legitimationsniveau 97
2.4. Zur Notwendigkeit einer europäischen Legitimation 100
2.5. Auffassungen der Mitgliedstaaten 102
2.6. Der Legitimationsanspruch an die Europäische Union 104
3. Voraussetzungen für einen legitimatorischen Mehrwert der europäischen Parteien 106 VIII
III. Die europäischen Parteien 112
1. Europäische Volkspartei 113
1.1. Historische Entwicklung 113
1.1.1. Die Anfänge christlich-demokratischer Kooperationen 113
1.1.2. Die Gründung der EVP 115
1.1.3. Herausforderungen nach der unmittelbaren Wahl des EP 119
1.1.4. Vorbereitungen auf die Osterweiterung 121
1.1.5. “Towards the Majority” 123
1.1.6. Entwicklungsstränge 126
1.2. Organisationsform 128
1.2.1. Normative Grundlagen 129
1.2.2. Mitgliedschaftstypen 132
1.2.3. Organe und ihre Willensbildung 138
1.2.4. Finanzierung und Infrastruktur 144
1.2.5. Vereinigungswesen 153
1.2.6. Möglichkeiten zur Politikgestaltung 159
1.3. Programmatik 166
1.3.1. Grundsätze 166
1.3.2. Konzepte zur Fortentwicklung der Gemeinschaftsorgane 170
1.3.3. Europapolitische Akzente 174
1.3.4. Zusammenfassung 179
1.4. Das Legitimationspotential der EVP 182
2. Sozialdemokratische Partei Europas 187
2.1. Historische Entwicklung 187
2.1.1. Die Sozialistischen Internationalen 187
2.1.2. Die Zusammenarbeit sozialdemokratischer Parteien in der EG 191
2.1.3. Der Bund der sozialdemokratischen Parteien in der EG 194
2.1.4. Die Sozialdemokratische Partei Europas 198
2.1.5. Entwicklungsstränge 202
2.2. Organisationsform 204
2.2.1. Normative Grundlagen 205
2.2.2. Mitgliedschaftstypen 207
2.2.3. Gremien und ihre Willensbildung 211
2.2.4. Finanzierung und Infrastruktur 216
2.2.5. Der Ständige Frauenausschuß, ECOSY und die weiteren Vereinigungen 221
2.2.6. Möglichkeiten zur Politikgestaltung 227
2.3. Programmatik 230
2.3.1. Grundsätze 231
2.3.2. Konzepte zur Fortentwicklung der Gemeinschaftsorgane 233
2.3.3. Europapolitische Akzente 237
2.3.4. Zusammenfassung 241
2.4. Das Legitimationspotential der SPE 243
3. Europäische Liberale Demokraten und Reform Partei 249
3.1. Historische Entwicklung 249
3.1.1. Die Liberale Internationale 249
3.1.2. Die Europäischen Liberalen Demokraten 251
3.1.3. Die Europäische Liberale Demokraten und Reform Partei 254
3.1.4. Entwicklungsstränge 256
3.2. Organisationsform 258
3.2.1. Normative Grundlagen 259
3.2.2. Mitgliedschaftstypen 261
3.2.3. Organe und ihre Willensbildung 264
3.2.4. Finanzierung und Infrastruktur 267
3.2.5. Liberal and Radical Youth Movement of the European Union 273
3.2.6. Möglichkeiten zur Politikgestaltung 276
3.3. Programmatik 278
3.3.1. Grundsätze 279
3.3.2. Konzepte zur Fortentwicklung der Gemeinschaftsorgane 281
3.3.3. Europapolitische Akzente 285
3.3.4. Zusammenfassung 288
3.4. Das Legitimationspotential der ELDR 289 IX
4. Europäische Grüne Partei 293
4.1. Historische Entwicklung 293
4.1.1. Die Europäische Koordination Grüner Parteien und ihre Vorläufer 293
4.1.2. Die Europäische Föderation Grüner Parteien 296
4.1.3. Die Europäische Grüne Partei 298
4.1.4. Entwicklungsstränge 300
4.2. Organisationsform 301
4.2.1. Normative Grundlagen 302
4.2.2. Mitgliedschaftstypen 304
4.2.3. Organe und ihre Willensbildung 307
4.2.4. Finanzierung und Infrastruktur 311
4.2.5. The Federation of Young European Greens 315
4.2.6. Möglichkeiten zur Politikgestaltung 317
4.3. Programmatik 320
4.3.1. Grundsätze 320
4.3.2. Konzepte zur Fortentwicklung der Gemeinschaftsorgane 322
4.3.3. Europapolitische Akzente 325
4.3.4. Zusammenfassung 327
4.4. Das Legitimationspotential der EGP 329
IV. Die Legitimationsvermittlung durch die europäischen Parteien 335
1. Die historische Entwicklung des europäischen Parteiensystems 335
1.1. Ursprünge 336
1.2. Gründung 337
1.3. Etablierung 339
1.4. Vertragsmäßige Inkorporation 341
1.5. Erweiterungen 343
1.6. Legitimationsstränge 345
2. Organisationsformen 347
2.1. Normative Grundlagen 347
2.2. Mitgliedschaftstypen 350
2.3. Organe und ihre Willensbildung 353
2.4. Finanzierung und Infrastruktur 360
2.5. Vereinigungen 365
2.6. Möglichkeiten zur Politikgestaltung 367
3. Programmatik 371
4. Zusammenfassung 373
Schlußfolgerungen und Perspektiven 376
Anhang 382
1. Vertragsgrundlagen 382
2. Die Wahlen zum Europäischen Parlament 396
3. Die Präsidenten des Europäischen Parlaments (und seiner Vorläufer) 402
Abkürzungsverzeichnis 403
Bibliographie 411